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- Thomas Dunne

Vorschau: Nationale Brass Band Meisterschaften von Grossbritannien 2024

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Die legendäre Royal Albert Hall in London (© David Iliff, CC BY-SA 3.0)

Der Austragungsort
Es ist wieder die Jahreszeit, in der alle Augen der britischen Brass Band-Szene auf die Royal Albert Hall in London gerichtet sind, wo am Samstag, dem 5. Oktober, die Championship Section der Nationalen Brass Band Meisterschaften von Grossbritannien stattfinden wird. Die Royal Albert Hall ist ein prächtiger Veranstaltungsort, zweifellos eines der schönsten Auditorien der Welt, und sie ist durchdrungen von Erinnerungen und Traditionen, da die Veranstaltung hier seit 1945 jedes Jahr stattgefunden hat (mit Ausnahme von 1952-53 und dem Jahr 2020, in dem sie wegen der Covid-19-Pandemie ausfiel).

Für manche ist es die spirituelle Heimat der britischen Brass Band-Szene und viele pilgern aus dem ganzen Land herbei, um die besten Brass Bands des Landes zu hören. In der Tat ist es schwer, sich nicht von der Dramatik der Kulisse und des Wettbewerbs mitreissen zu lassen. Das Getöse der Menge in der vollbesetzten Royal Albert Hall ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst!

Für andere ist es schwer, die Kosten für die Reise und den Aufenthalt im Zentrum Londons, dem vielleicht teuersten Ort im gesamten Vereinigten Königreich, zu rechtfertigen. Hinzu kommen die Kartenpreise, die von 42,70 Pfund für die billigsten, ungünstigsten Plätze im Chorgestühl oder im oberen Rang bis zu 84,50 Pfund für einen der eleganten Logenplätze reichen. Infolgedessen wird die Veranstaltung für einige immer unerschwinglicher, da die Kosten für die Anmietung des Saals steigen und die Organisatoren diese zwangsläufig an das Publikum weitergeben müssen. Dies zeigt sich daran, dass der Saal nur selten voll ist und die meisten Plätze nur drei Tage vor der Veranstaltung im Internet als unverkauft markiert sind. Es ist also unvermeidlich, dass es Gerüchte darüber gibt, wie lange der Wettbewerb an diesem Ort fortgesetzt werden kann, so dass wir abwarten müssen, was in Zukunft geschieht. Nachdem ich im Laufe der Jahre auf zahlreichen Plätzen im Publikum gesessen habe, ist mein bevorzugter Sitzplatz in der Arena (ebenerdig), direkt vor der Jurybox. Der Luxus einer Loge bietet zwar mehr Komfort, aber man bekommt nicht wirklich ein Gefühl dafür, was die Wertungsrichter hören, da die Akustik so höhlenartig gross ist. Und schliesslich richten die Bands ihren Sound ja zur Jurybox!

Das Teststück

Das diesjährige Teststück ist «Harrison's Dream» von Peter Graham. Das Stück ist inspiriert vom Uhrmacher John Harrison aus dem 18. Jahrhundert, der 40 Jahre lang davon besessen war, eine Uhr zu bauen, die so genau sein sollte, dass sie zur exakten Berechnung des Längengrads verwendet werden konnte. Dies war für die Navigation von Schiffen auf See unerlässlich. Die Musik erzählt keine spezifische Geschichte, sondern lässt sich stilistisch vom Thema inspirieren. Ein Grossteil der Musik ist mechanisch, aber mit einem emotionalen Kern, der die unzähligen Leben widerspiegelt, die von der Lösung des Problems um den Längengrad abhängen. So gibt es musikalische Bilder von tickenden Pendeln, eine Reihe von alptraumhaften Szenarien, einschliesslich eines grotesken Walzers, und von Seeleuten, die in den Tiefen des Abgrunds versinken. Die Zuhörenden können auch fragmentarische Teile des Kanons von Thomas Tallis hören.

Die Wahl dieses Werks wurde teilweise kritisiert, da es bereits bei den nationalen Meisterschaften im Jahr 2000, dem Jahr, in dem es in Auftrag gegeben wurde, verwendet worden war. Einige argumentieren, dass das Werk nicht anspruchsvoll genug sei und dass der Wettbewerb auf neuere Musik zurückgreifen sollte, wie sie beispielsweise bei den Europameisterschaften zu hören ist, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den immer stärker werdenden Bands aus Übersee zu haben. Auch wenn «Harrison's Dream» nicht jedermanns Lieblingswerk ist, bleibt es ein harter Test für die Bands und ein fesselndes Stück für das Publikum. Wir werden bald sehen, wie leicht das Stück ist - oder auch nicht!

Das Video zeigt eine Version des Stücks, gespielt von der Cory Band unter der Leitung von Robert Childs am World Music Festival in Kerkrade 2009 - spezielle Kameraführung und Frisuren inklusive.

Die Bands

Zwanzig Bands aus verschiedenen Regionen des Vereinigten Königreichs haben sich für die Teilnahme am diesjährigen Wettbewerb qualifiziert. Im Westen Englands haben wir die Flowers Band und Paul Holland. Die Band hat sich mit einem dritten Platz beim Brass in Concert 2023, dem ersten Sieg bei West of England seit 2019 im März 2024 und einem bemerkenswerten zweiten Platz bei den British Open im September wieder in Form gebracht. Wenn sie ihre derzeitige Form beibehalten, werden sie in der Royal Albert Hall zu den Top-Favoriten gehören. Zu ihnen gesellt sich die Aldbourne Band, die zwar keine grossen Titel vorzuweisen hat, aber in den letzten Jahren an Statur gewonnen hat, sich 2018 für die British Open qualifizierte und ihren Platz als regelmässiger Teilnehmer in der Royal Albert Hall festigte.

Es gab noch nie einen National Champion aus der Region London und Southern Counties, aber die beiden Qualifikanten Zone One Brass mit Richard Ward und Friary Brass mit Nigel Taken haben beide einen Ruf als hochkarätige Anwärter und werden ihr Bestes geben, um den Wettbewerb zu beeinflussen.

In der Vergangenheit war die Desford Band eine bedeutende Konkurrentin, die unter anderem zwischen 1987 und 1989 einen berühmten Sieges-Hattrick erzielte. In jüngster Zeit haben sie sich als Band, die nur für Wettbewerbe zusammenkommt, neu erfunden und sind daher relativ unbekannt. Aus den Midlands kommt ein weiterer ehemaliger Champion aus den 1960er Jahren, die GUS Band, die in letzter Zeit eine Reihe von Erfolgen feiern konnte.

Aus Yorkshire kommt der Titelverteidiger, die Black Dyke Band, die mit 23 Titeln die erfolgreichste Band aller Zeiten bei den nationalen Meisterschaften ist. In Kombination mit Professor Nicholas Childs, einem der erfolgreichsten Wettbewerbsdirigenten aller Zeiten, ist klar, dass sie ein grosser Titelanwärter sein werden. Die Brighouse and Rastrick Band und David King sind ebenfalls mehrfache Meister, auch wenn grosse Titel nur selten und in grossen Abständen erreicht wurden. Die Siege bei den British Open und bei Brass in Concert 2022 haben nicht zu weiteren Siegen geführt und bei den British Open im September belegte die Band den 12 Platz. Abschreiben sollte man sie trotzdem auf keinen Fall. Auch die Carlton Main Frickley Colliery Band kehrt in diesem Jahr aus Yorkshire zurück, nachdem sie sich im Mai erneut für die British Open qualifiziert hat, und sowieso immer eine gute Show abliefert. 

Aus dem Nordwesten kommen die Foden's Band und Russell Gray, die seit 2018 dreimal gemeinsam den Titel geholt haben und im letzten Jahr den zweiten Platz belegten. Sie haben auch die British Open 2023 gewonnen und den 3. Platz bei den Europameisterschaften 2022 belegt. Die Foden's Band ist Weltklasse und wird auch dieses Jahr wieder zu den Top-Favoriten gehören. Die KNDS Fairey hat nicht das erfolgreichste Jahrzehnt hinter sich, ihr letzter Wettbewerbssieg datiert aus dem Jahr 2015. Dennoch werden sie versuchen, auf einem vielversprechenden 6. Platz bei den British Open im September aufzubauen. Die Pemberton Old Wigan DW ist eine weitere Band, die nach ihrem Titel in der ersten Stärkeklasse im Jahr 2017 allmählich an Stärke gewonnen hat und zum ersten Mal seit 2019 in der Royal Albert Hall auftritt.

In Nordengland hat die Easington Colliery in diesem Jahr eine Achterbahnfahrt hinter sich: Sie wurden zum ersten Mal in ihrer Geschichte zum Regionalmeister von Nordengland gekrönt und sind dann aus der British Open Spring Festival Senior Trophy in Blackpool abgestiegen. In der Royal Albert Hall wollen sie dies mit einem soliden Ergebnis wieder gutmachen. Zu ihnen gesellt sich NASUWT Riverside, eine Band, die sich in den letzten zehn Jahren einen Namen gemacht hat, aber in London bisher nur schwer Fuss fassen konnte.

Es war keine Überraschung, dass sich die Cooperation Band und die Whitburn Band für Schottland qualifiziert hatten, da beide zu den dortigen Schwergewichten gehören. Die Cooperation Band reist mit dem Rückenwind eines achtbaren 8. Platzes bei den British Open an und Whitburn baut auf ihrer jüngsten Qualifikation für die British Open nach dem Sieg beim Grand Shield 2023 auf.

Schliesslich haben wir noch die vier walisischen Herausforderer. Die Cory Band und Philip Harper brauchen kaum vorgestellt zu werden, denn sie haben bereits mehrere Titel bei den Nationalen Meisterschaften, den British Open, den Europäischen Meisterschaften und bei Brass in Concert gewonnen. In letzter Zeit waren sie jedoch weniger erfolgreich - sie belegten bei den British Open nur den 11. Platz - und streben nun den ersten nationalen Titel seit 2019 an. Die Tredegar Band und Ian Porthouse sind ebenfalls ein etabliertes Schwergewicht mit zwei British Open-Titeln in ihrem Palmares. In der Royal Albert Hall haben sie jedoch noch keinen Sieg errungen, obwohl sie schon mehrere zweite Plätze erreicht haben. Vielleicht wird dieses Jahr ihr Jahr sein? Die Tongwynlais Temperance Band kommt ebenfalls aus Wales und tritt zum ersten Mal seit 2018 auf, was nach einer Phase des Wiederaufbaus für die Band schon ein Erfolg ist. Die vierte walisische Band ist Ebbw Valley Brass, die einzige Debütantin beim Wettbewerb in diesem Jahr. Die Band hat seit ihrer Gründung im Jahr 2012 eine bemerkenswerte Reise hinter sich und wurde in allen vier unteren Sektionen zum nationalen Meister gekrönt, und nun dürfen sie sich am grössten Titel von allen versuchen.

Wer wird also gewinnen? Das müssen die Wertungsrichter Stephen Cobb, Arsene Duc und Rob Wiffin entscheiden. Der Wettbewerb beginnt um 11:00 Uhr (Schweizer Zeit), und die letzte Band wird voraussichtlich gegen 19:00 Uhr fertig sein. Die Siegerehrung findet um 20:30 Uhr statt. Viel Glück für alle Bands!

royal albert hall